Während in den allermeisten Schwangerschaften die Vorfreude dominiert, freut sich einer meistens nicht: der Beckenboden. Denn der Beckenboden einer schwangeren Frau ist, über mehrere Monate hinweg, einer großen Belastung ausgesetzt. Dieser gilt es also nach der Schwangerschaft durch Rückbildung entgegenzuwirken. Unsere Gäste im Podcast, die Heidelberger Hebammen Anja und Marie, berichten über ein Thema, das Schwangere, Hebammen und Mütter gleichermaßen betrifft: Rückbildungskurse. Sie erläutern Müttern, wann der richtige Zeitpunkt für einen Kurs ist, worauf sie achten müssen und geben überdies jungen Hebammen Tipps, was es bei der Konzeption und Organisation eines solchen Kurses zu beachten gilt. Das Wesentliche haben wir euch im Folgenden zusammengefasst.
Warum ist Rückbildung so wichtig?
Eigentlich ist ein starker Beckenboden immer wichtig, völlig unabhängig von Geschlecht, Alter oder Lebensphase. Allerdings wird der Beckenboden, der sich aus drei Schichten zusammensetzt, wohl durch nichts so sehr belastet wie durch eine Schwangerschaft und durch eine Geburt. Denn bei einer natürlichen Geburt schiebt das Baby alle drei Schichten des Beckenbodens zur Seite und dehnt diesen.
Doch selbst wenn eine Geburt per Kaiserschnitt erfolgt, ist die vorherige Belastung des Beckenbodens allein durch die Schwangerschaft immens: Der Druck des Kindes von oben, die vergrößerte Gebärmutter und das zusätzliche Gewicht des Fruchtwassers reichen aus, um eine Beckenbodenschwäche hervorzurufen. Diese kann ohne anschließende Rückbildung nicht nur zur Inkontinenz, sondern auch zu einer gefährlichen Absenkung der inneren Organe führen.
Außerdem wirkt sich der Beckenboden auch auf die äußere Erscheinung eines jeden Menschen aus: Durch die Stabilität, die er der Körpermitte verleiht, sorgt er für eine gute und gesunde Haltung. Diese ist auch wichtig, um weitere Beschwerden, wie beispielsweise Rückenleiden, vorzubeugen. Häufig ist bei Freuen nach der Schwangerschaft eine veränderte Positur zu beobachten, beispielsweise ein Hohlkreuz, auswärts gerichtete Füße oder ein krummer Rücken. All dies lässt sich durch eine gute Rückbildung beheben.
Wann sollte ein Rückbildungskurs absolviert werden?
Als Faustregel gilt, dass ein Rückbildungskurs sechs bis acht Wochen nach einer vaginalen Geburt und ungefähr zwölf Wochen nach einer Bauchgeburt (also einer Geburt per Kaiserschnitt) begonnen werden sollte. Wenn die Gynäkolog:innen bei der Nachuntersuchung der Mutter allerdings schon früher den Startschuss für die Rückbildung geben, so ist diesem Rat genauso zu folgen, wie der Empfehlung, noch etwas zu warten.
Ein Rückbildungskurs sollte ferner als Faustregel spätestens neun Monate nach der Geburt beendet sein. Denn nach dieser Zeit haben sich im Körper bereits eigene Strukturen gebildet, die dafür sorgen, dass die Übungen nicht mehr so optimal wirken.
Wer darf einen Rückbildungskurs anbieten?
Einzig die von Hebammen angebotenen Rückbildungskurse werden unkompliziert und anstandslos von der Krankenkasse erstattet. Bei Physiotherapeut:innen oder anderen Anbieter:innen ist ein spezielles Rezept von Fachärzt:innen notwendig, damit die Krankenkasse den Rückbildungskurs auch bezahlt.
Die Krankenkassen bezahlen zehn Zeitstunden à 60 Minuten. Diese müssen jedoch weder am Stück, noch in ein-Stunden-Einheiten absolviert werden. Anja aus unserem Podcast hat beispielsweise gute Erfahrungen damit gemacht, ihre Kurse in sieben Einheiten, die je circa anderthalb Stunden gehen, anzubieten.
Wie sollte ein guter Rückbildungskur aufgebaut sein?
Hebammen, die Kurse anbieten wollen, können sich zunächst in der reichlich vorhandenen Fachliteratur einlesen. Anja hat sich zusätzlich auch Rat bei einer erfahrenen Kollegin gesucht, bei der sie sich die Kurse anschauen durfte, um eigene Erfahrung zu sammeln. Nun ist sie selbst erfahrene Kursleiterin und empfiehlt jeder Kollegin, sich ein planvolles Konzept zu überlegen, das sich durch den gesamten Kurs zieht.
Ihre eigenen Stunden sind wie folgt aufgebaut: Zunächst gibt es einen Infoteil, dann machen sich alle Teilnehmerinnen gemeinsam warm. Anschließend werden Übungen absolviert, die konkret dazu gedacht sind, in der Schwangerschaft aufgetretene Veränderungen im Körper zu beheben. Diese Übungen steigern sich in ihrer Intensität von Stunde zu Stunde. Beim Abschluss lässt ein Entspannungsteil alle Teilnehmerinnen wieder zur Ruhe kommen.
Wo findet eine Hebamme einen guten Kursraum?
Generell empfiehlt Anja allen Hebammen, die neue Kurse anbieten möchten, sich zunächst im lokalen Umfeld nach Kursräumen umzuhören, in denen Equipment wie Matten, Pezibälle, Terabänder und Ähnliches bereits vorhanden sind. Das spart Neuanschaffungskosten. Naheliegend ist es deshalb, sich bei Sportvereinen oder Turnhallen zu erkundigen. Sie selbst hat aber auch schon einen Rückbildungskurs in einer Tanzschule angeboten, deren Räume sehr gut ausgestattet, jedoch nicht ausgelastet waren. Außerdem eigen sich Elternschulen an Kliniken, nahgelegene Hebammenpraxen, Gemeinderäume oder Räume der Kirche.
Was dann noch zu einem erfolgreichen Kurs fehlt, sind die Teilnehmerinnen. Hierbei setzt Anja vor allem auf Mundpropaganda. Wer ganz neu einen Kurs anbietet, kann dies auf seiner Website bewerben oder Flyer auslegen. Ein weiterer Tipp von ihr an junge Kolleginnen: „Sagt einfach Kolleginnen Bescheid, die selbst keine Kurse anbieten können. Sie sind meistens froh, wenn sie ihren Frauen einen Tipp geben können, wo diese einen Rückbildungskurs finden“.
Was ist ein digitaler Rückbildungskurs?
In Pandemiezeiten wurden laufende Rückbildungskurse abgesagt. Eine Lösung dafür: ein digitaler Rückbildungskurs. Einen solchen bieten Anja und Marie sogar kostenlos an. Denn ihnen ist es wichtig, dass jede Frau eine gute Rückbildung absolvieren kann, da diese von großer gesundheitlicher Bedeutung ist. Also schrieben die beiden ein neues Kurskonzept. Denn manche Übungen müssen im digitalen Bereich abgewandelt werden, da die korrekte Ausführung nicht durch die präsente Hebamme überprüft werden kann. Hierfür fanden die beiden Alternativen.
Mittlerweile bieten immer mehr Hebammen digitale Rückbildungskurse an. Durch Live Formate kann hier auch wieder eine (reduzierte) Interaktion mit der Hebamme stattfinden. So ist auch in Pandemiezeiten ein starker Beckenboden bei jeder neuen Mama gesichert.